
Die Energieversorgung droht ab Herbst schwieriger zu werden. Derzeit läuft die öffentliche Diskussion über den Umgang mit der Energiekrise, notwendige Konzepte und Maßnahmen zu Energiesparmöglichkeiten, und auch über die Schaffung von öffentlich zugänglichen Anlaufstellen im Winter.
Bibliotheken tragen als öffentliche Infrastruktur gerade in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation wie jetzt viel zur Unterstützung gesellschaftlicher Gruppen bei, die besonders unter den Kriseneffekten leiden. Deshalb fordert der Deutsche Bibliotheksverband in Bund, Länder und Kommunen auf, Bibliotheken trotz notwendiger Energiesparmaßnahmen geöffnet zu halten. Oberstes Ziel ist die bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Bibliotheksinfrastrukturen und -räume durch die Nutzer*innen, die unter der möglicherweise angespannten Energieversorgungslage besonders zu leiden haben.
Auf dieser Seite stellt der dbv entsprechende Informationen, Handlungsempfehlungen zum Energiesparen für Bibliotheken sowie – im Falle einer Energienotlage – eine Checkliste für die Wahrnehmung der Funktion als Anlaufstelle. Die Seite wird fortlaufend aktualisiert.
AG „Energiekrise“
Eine bundesweite ad hoc AG „Energiekrise“, die aus Vertretern der KMK, der kommunalen Spitzenverbände, der BKM und der Kulturstiftung der Länder besteht, hatte Mitte August auch Vertreter*innen verschiedener Fachverbände (Theater, Museen, Bibliotheken, Archive, Restauratoren) zum Austausch eingeladen und diese Fachverbände aufgefordert, für ihre jeweiligen Bereiche Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, und diese im Anschluss auch der ad hoc AG zur Verfügung zu stellen. Der Bibliotheksbereich wurde vom dbv vertreten. Dem Treffen mit den Fachverbänden war am 04. August 2022 ein Gespräch der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie Länderkulturvertreter*innen mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur vorausgegangen (vgl. hierzu die im Anschluss veröffentliche Pressemitteilung).
Die für Kultur Zuständigen in Bund und Ländern sind sich einig, dass die Kulturgut bewahrenden Einrichtungen zur Abwendung von schweren Schäden weiterhin mit Energie versorgt werden müssen und dass Kultureinrichtungen aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Konnotierung, ihrer Bedeutung für die Demokratie, den gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Identität bei der Verteilung vor bloßen Freizeiteinrichtungen zu priorisieren sind. Kultureinrichtungen seien in der gleichen Prioritätskategorie wie Bildungseinrichtungen zu behandeln.
Kulturpolitische Forderungen von Bund und Ländern
Am 21. September 2022 haben Bund und Länder zur Bedeutung der Kultur in der Energiekrise kulturpolitische Forderungen beschlossen. Darin wird u.a. auf den Bereich des Kulturgutschutzes sowie auf eine Priorisierung von Kultureinrichtungen im Fall einer Gasnotlage (Notfallstufe des Notfallplans Gas) eingegangen. Darüber hinaus haben Bund, Länder und die Kommunalen Spitzenverbände gemeinsame Empfehlungen verabschiedet. Ihr Ziel ist es, für den Fall einer reduzierten oder unterbrochenen Energieversorgung über Kriterien zu verfügen, mit deren Hilfe Kultureinrichtungen als Teil der Kritischen Infrastrukturen des Bundes und der Länder identifiziert werden können. Zugrunde gelegt wird dabei insbesondere der Begriff „Kulturgut von großer Bedeutung für das kulturelle Erbe“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.
Kulturgutschutz in Bibliotheken
Kulturgut bewahrende Einrichtungen werden in den Kritischen Infrastrukturen in Katastrophenfällen (KRITIS) von Bund und Ländern explizit benannt und sind besonders geschützt. Bibliotheken sollten umfangreiche Notfallpläne für die Energiekrise (Ausfall von Gas oder teilweiser Blackout von Strom) erstellen und sich dabei von den Expert*innen beraten lassen. Die Klimatisierung richtet sich häufig nach dem sensibelsten Objekt, daher sollten, falls noch nicht erfolgt, besondere Bestände zusammengeführt werden in Räumlichkeiten, die dafür ggfs. besser geeignet sind. Dies kann auch mit Kooperationspartnern erfolgen.
Die beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe angesiedelte "Arbeitsgruppe Notfallvorsorge Kulturgut" hat im November 2022 nun das Positionspapier "Risiko- und Krisenmanagement in Kulturgut bewahrenden Einrichtungen" veröffentlicht. Das Papier fasst Grundzüge eines Risiko- und Krisenmanagements zusammen und bietet eine argumentative Grundlage gegenüber den Verantwortlichen (z.B. Einrichtungsleitung, Einrichtungsträgern) für eine Bereitstellung von Ressourcen (Personal, Haushaltsmittel, Aus- und Fortbildung) für das Thema Risiko- und Krisenmanagement.
Kulturfonds Energie des Bundes
Damit öffentliche Kultureinrichtungen durch die stark steigenden Energiekosten entlastet werden, hat der Bund Ende Januar 2023 den Kulturfonds Energie auf den Weg gebracht. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat als erste Tranche 375 Mio. Euro freigegeben. Damit können u.a. öffentliche Kultureinrichtungen wie Bibliotheken bis zu 50 Prozent ihrer Energiemehrbedarfe beantragen. Insgesamt stehen rückwirkend für den Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 30.04.2024 eine Milliarde Euro zur Verfügung. Ab Mitte/Ende Februar können Kultureinrichtungen Förderanträge stellen. Für die Abwicklung der Fördermittel sind die Länder zuständig.
Ein ausführlicher Hintergrundartikel des Deutschen Kulturrates zum Kulturfonds Energie des Bundes kann hier gelesen werden.
Wie auch andere Einrichtungen sind Bibliotheken dazu angehalten, 15 - 20 % ihres Energieverbrauchs einzusparen. Wir haben hier eine Liste mit entsprechenden Handlungsempfehlungen zusammengestellt.
Zudem haben weitere Institutionen Vorschläge zum Energiesparen veröffentlicht:
- Tipps aus dem Kulturbereich für den Kulturbereich hat der Deutsche Kulturrat auf seiner Webseite zusammengetragen.
- Baden-Württemberg hat einen Leitfaden herausgegeben, wie Kultureinrichtungen auf unterschiedlichen Ebenen Klimaschutzmaßnahmen in ihren Häusern entwickeln und umsetzen können.
- Der Verband der Archivarinnen und Archivare hat Handlungsempfehlungen zur Energieeinsparung unter Beachtung der archivspezifischen Herausforderungen veröffentlicht.
- Parallel hat die Bundeskonferenz der Kommunalarchive im Deutschen Städtetag ein Papier verabschiedet, das Potentiale und Grenzen der Einsparung von Energie in Kommunalarchiven aufführt.
Bibliotheken sind keine Freizeiteinrichtungen, sondern wichtige Bildungs-, Kultur und Aufenthaltsorte für die Gesellschaft. Sie sollen daher nicht geschlossen werden. Damit Bibliotheken als öffentliche Infrastruktur für den hohen Anteil der Bevölkerung, der möglicherweise nicht in der Lage sein wird, die eigenen Heizkosten finanziell zu erbringen, als Anlaufstellen fungieren können, haben wir eine Checkliste zusammengestellt, was dabei zu bedenken ist. Zugleich wird der Kulturbereich eine Vorbildfunktion beim Einsparen wahrnehmen.
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Die Organisation „Libraries Connected“ hat im Juni 2022 die Ergebnisse einer Umfrage unter Öffentlichen Bibliotheken in England, Wales und Nordirland zum Thema „Bibliotheken und die Krise der Lebenshaltungskosten“ veröffentlicht. Bibliotheken dort sehen zum einen eine größere Nachfrage nach Finanzinformationen für private Haushalte und gleichzeitig verstärkt Besucher*innen, die die Bibliotheken nutzen, um sich warm zu halten. Die Studie wird ergänzt durch zahlreiche Services, die die Bibliotheken den Menschen anbieten, um die Folgen der Krise abzumildern. Großbritanniens Bibliotheken und Museen bereiten sich daher verstärkt darauf vor, als warme Oasen für Menschen zu fungieren, die es sich nicht leisten können, ihre Häuser in den Wintermonaten zu heizen. Ein Artikel dazu aus dem Guardian kann hier abgerufen werden.